Zehn Termine, fünf Bundesländer und über 20 Stunden Gespräche: Das ist die Bilanz meiner Tour im Rahmen unserer fraktionsweiten Themenwoche „Gemeinsame Sache machen“, in der die grüne Bundestagsfraktion vom 17. bis 23.06. Engagement und Ehrenamt in den besonderen Fokus ihrer Arbeit gestellt haben. Dazu waren alle Fraktionsmitglieder aufgerufen, sich vor Ort mit Freiwilligen auszutauschen und Aktionen ins Leben zu rufen. Mich selbst hat es dabei als Sprecherin der Fraktion für Engagement zu einer kleinen Rundreise v.a. durch die ostdeutschen Bundesländer verleitet, wo ich mir die vielfältige Engagementkultur angeschaut habe.

Vorhut in Stuttgart

Bereits zu Beginn dieses Jahres habe ich mich mit Engagierten in Stuttgart zu einem Austausch getroffen und im Mai die Freiwilligenagentur Stuttgart besucht. Dort wird mit viel Energie an der weiteren Vernetzung in der ganzen Stadt gearbeitet, um möglichst viele Engagierte zu gewinnen. Auch digital soll ein eigenes Engagementportal eröffnet werden, ich bin gespannt! Und auch bei der Freiwilligenagentur selbst sind viele Ehrenamtliche tätig, die bei der Vermittlung von Engagierten helfen. Ein gelungenes Beispiel für die Kombination aus verlässlicher Finanzierung von Hauptamt, um das sich viele Engagierte tummeln und mitmachen.

Auftakt in Brandenburg

Zur Engagementwoche ging es dann zunächst gleich am Montag ins Gespräch mit der lokalen Freiwilligenagentur von SEKIZ e.V., der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Brandenburg (LAGFA) und Vertreter*innen des „Arbeitskreis Ehrenamt“ nach Potsdam. Dabei wurde deutlich, mit was für unterschiedlichen Herausforderungen bereits in Brandenburg Engagement konfrontiert wird: In den ländlichen Gebieten sind Fragen der Mobilität drängend oder „Hilfe zur Selbsthilfe“ ein notwendiges Mittel, um nachhaltig zu wirken, andernorts sind Bürokratie- und Kostenfragen (von GEMA-Gebühren bis Umsatzgrenzen) ein wichtiger Faktor für gutes Ehrenamt. In Teltow durfte ich anschließend ein wunderbares Beispiel dafür kennenlernen, wie man Engagement, Lebenserfahrung und Bildung miteinander verzahnt. Die „Akademie 2. Lebenshälfte“ bietet hierfür nicht nur interessante Kurse (z.B. Sprach- oder „Smartphone“-Kurse) für Ältere an, sie vermittelt z.B. auch Lesepatinnen und -paten in Grundschulen oder organisieren Kinoabende für ein älteres Publikum oder den „Klönkreis“. So kommen über 100 Ehrenamtliche regelmäßig zusammen.

Mit Katrin Göring-Eckardt Thüringen erkunden

Der zweite Tag meiner Engagementtour führte mich im Car-Sharing-Auto quer durch Thüringen, zusammen mit unserer Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt. Mit dem Landessportbund sprachen wir zunächst in Erfurt u.a. über die unsichere Situation der Freiwilligendienste aufgrund der fehlenden Finanzierungszusage der Bundesregierung, danach ging es nach Weimar zur Ehrenamtsagentur, die uns u.a. ihre Nachbarschaftshilfe „Weimars gute Nachbarn“ vorstellte. In Jena betreibt die Elterninitiative für krebskranke Kinder e.V. mit viel ehrenamtlicher Unterstützung und Spenden ihr wundervolles “Haus EKKStein“, welches wir kennenlernen durften. Dort wird Familien in schweren Zeiten geholfen und Kindern in Therapie Freude und Abwechslung geschenkt. Eine Initiative, die uns wirklich beeindruckt hat. Gut, dass sich die Situation der psychosozialen Beratung bei Krebserkrankung voraussichtlich mit dem Psychotherapeutengesetz verbessern soll.

Abschließend führte uns eine kurze Spritztour dann noch zur Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes in Gera, die z.B. mit der immer schwierigeren Gewinnung von langfristig engagierten Menschen zu kämpfen haben und sich eine Anrechnung von Engagement auf Rentenpunkte wünschen.

Kommen Sie rein, packen Sie an! (in Berlin)

Lebensmittel retten und damit Gutes tun. Das ist in etwa das Motto von „Laib und Seele e.V.“, die ich am Mittwoch mit meinem Berliner Fraktionskollegen Stefan Gelbhaar besuchen durfte. In der Ausgabestelle in Weißensee haben sich drei Berliner Kirchengemeinden mit der Tafel zusammengetan und sammeln jede Woche noch verwertbare Lebensmittel von Supermärkten ein, um diese an Bedürftige zu verteilen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie viele helfende Hände geübt die Lebensmittel sortierten und teilweise schon seit über zehn Jahren dabei waren. Bei der wöchentlichen Ausgabe und dem Sortieren von z.B. Obst und Gemüse haben wir selbstverständlich mit angepackt. Im Gespräch mit den Engagierten haben wir aber auch nochmal die klare Aufgabe mitgenommen, dass es Ziel bleiben muss, dass es weniger Menschen gibt, die auf die Tafek angewiesen sind. Ehrenamt ist wichtig, darf aber nicht zum dauerhaften Lückenfüller für die Daseinsvorsorge werden.

Nachhaltigkeit und Soziokultur im lebendigen Sachsen

Was der Landkreis Leipzig so alles zu bieten hat, durfte ich mir dann am Donnerstag auf der Tour mit meiner sächsischen Fraktionskollegin Monika Lazar zeigen lassen. Im alten Kranwerk Naunhof ist ein spannendes soziokulturelles Zentrum entstanden, wo Kultur aufs Land geholt, aber auch neues, nachhaltiges Wirtschaften getestet wird, z.B. mit platzsparenden Wohnhäusern aus regionalem Holz. In Grimma wiederum wurde die Alte Spitzenfabrik so umfunktioniert, dass dort heute ein „Dorf der Jugend“ als zentrale Anlaufstelle für die offene Jugendarbeit vor Ort existiert und aktiv das Leben im Ort mit vielen Initiativen wie Konzerten, Festivals oder Sportevents mitgestaltet. Dafür wurde das Dorf der Jugend bereits ausgezeichnet. Beide Orte zeigen, wie wichtig der Einsatz von Engagierten ist, um auch im ländlichen Raum Kulturangebote und Räume für Begegnung zu schaffen und zu halten.

Eine runde Sache: Mit über 100.000 engagierten Gläubigen in Dortmund

Runde Sachen spielen in Dortmund v.a. im Westfalenstadion bekanntlich eine zentrale Rolle. Abgerundet wurde auch meine gesamte Themenwoche dann mit einem Besuch beim Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund. Der Deutsche Evangelische Kirchentag ist ein beeindruckendes Beispiel für riesiges Engagement, schließlich wird die Organisation und Umsetzung eines Großteils dieses „Megaevents“ von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gestemmt. So durfte ich auch eine Tour mit einem brandenburgischen Finanzbeamten fahren, der als ehrenamtlicher Fahrer für den Shuttledienst des Kirchentags im Einsatz war. Zudem habe ich noch auf einem Panel des CVJM u.a. über politisches und gesellschaftliches Engagement junger Menschen diskutieren dürfen, die ganz deutlich klargemacht haben: „Wir können es!“.

Nach dieser Woche bin ich also umso überzeugter, dass wir eine politische Engagementoffensive brauchen, wie wir sie als Grüne in unserem Bundestagsantrag fordern. Engagierte brauchen auch, aber nicht nur, Wertschätzung. Sie brauchen verlässliche und unkomplizierte rechtliche Rahmenbedingungen, strukturelle Finanzierung von Hauptamtlichen, Unterstützung bei der Digitalisierung und vieles mehr. Auch wenn sie selbst zum Teil sehr zurückhaltend darin sind, das zu äußern. Denn so hat es eine Engagierte auf unserer Tour formuliert: „Mir geht es gut und deswegen möchte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben”